Von einer Seminarteilnehmerin bekam ich vor Jahren das Feedback: „Als Du zu Tür hereinkamst, dachte ich, was für ein scheues Reh.
Ich? Ein scheues Reh? Wie kann das sein? Warum wirke ich scheu?
Damit konnte ich zunächst nichts anfangen.
Heute verstehe ich diese Nachricht und mir ist bewusst, wie dieser Eindruck entstanden ist. So konnte ich etwas dazu lernen und weiß jetzt, wie ich mich zeigen und geben muss, um authentisch wahrgenommen zu werden. So wurde dieses „Stolpern“ zu einem wertvollen Feedback für mich.
Wer ein Training mit mir erlebt, hört immer mal wieder die Aussage:
„Feedback ist ein Geschenk, nimm es an, lächle, sage Danke und schaue, was es für Dich bedeuten kann.“
Dahinter steckt die Erfahrung, dass eine wertschätzende Reflexion tiefe Impulse setzen kann, aber gelegentlich auch irritiert. Diese Irritation – ich benutze gern das Bild des Stolperns – beleuchtet meist unsere empfindlichen Stellen, unsere wunden Punkte. Sie gibt aber auch Hinweise auf Potenziale und ungenutzte Ressourcen. Beim Empfangen des Feedbacks stolpern wir vielleicht über etwas Bedeutsames und haben dann die Chance uns zu entwickeln.
Aus diesem Grund ist es mir besonders wichtig Zeiten, Räume und Regeln für ein offenes Feedback zu schaffen und zu gestalten. Mal in kleinen Gruppen oder zwischen einzelnen Teilnehmerinnen und Teilnehmern aber auch im Einzelgespräch mit mir. Ein Feedback kann in schriftlicher Form mit anschließender Besprechung aber auch in mündlicher oder visualisierter Form erfolgen.
Kürzlich habe ich ein Plakat vorbereitet und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten, sich gegenseitig eine Notiz zu hinterlassen. Es hat mich sehr gefreut, zu beobachten, mit welcher Sorgfalt die Bemerkungen, Anmerkungen, Rückmeldungen aber auch die Anlässe des Stolperns formuliert wurden. Wenig später erhielt ich ein Foto von einer Teilnehmerin. Sie hat ihrem Plakat mit den Anmerkungen der Kolleginnen und Kollegen einen würdigen Platz gegeben. Sie hatte ihr „Stolpern“ gut sichtbar über dem Schreibtisch hängen.
Schatz des Lebens
Nur wenn wir in den Abgrund hinabsteigen,
finden wir die Schätze unseres Lebens.
Dort, wo du stolperst, liegt dein Schatz.
Genau die Höhle, die du dich fürchtest zu betreten,
erweist sich als die Quelle dessen,
was du suchst.
Joseph Campbell